Till Becker ist eine Ausnahme. Nicht allein, dass der 41-Jährige seit fast vier Jahren Hausmann und Vollzeit-Vater ist („So langsam reicht’s echt“, sagt er lachend). Verdient seine Frau Vera als verbeamtete Grundschullehrerin doch auch genug, um die vierköpfige Familie „gut“, wie er sagt, über die Runden zu bringen.
Sprich: An finanzieller Zuwendung vom Staat beantragte Becker nach der Geburt des ersten Sohns Bruno (4) nur einen monatlichen Pauschalbetrag von 330 Euro – für ein Jahr. Am heute möglichen Elterngeld jedoch sind die Wahl-Münsteraner mit der Geburt des zweiten Filius Robert vor zweieinhalb Jahren „zeitlich knapp vorbeigerutscht“.
Väter in Vollzeit? Und das über eine längere Zeit hinweg? Die sind bundesweit und im Münsterland noch rar gesät. Wie aus dem Bericht „Elterngeld für Geburten 2007 nach Kreisen“ des Statistischen Bundesamts hervorgeht – er berücksichtigt alle bis Juni ’08 bewilligten Anträge – investieren Väter selten mehr als das Minimum der Elternzeit.
In Münster etwa haben nur 13 Prozent der Vollzeit-Väter Elterngeld für ein ganzes Jahr beantragt. 65 Prozent haben sich für zwei Monate entschieden. Prozentual ähnlich sieht es in den Kreisen Coesfeld, Steinfurt und Warendorf aus. Allein im Kreis Borken gibt es mit einem Anteil von 17 Prozent mehr Ein-Jahres-Väter als in den anderen Kreisen.
Ein Stadt-Land-Gefälle ist in der Anzahl der gestellten Anträge auszumachen: Sind es in Münster auf 100 Neugeborene 19 und mehr, so fällt das in den umliegenden Kreisen deutlich ab.
Till Becker für seinen Teil freut sich darauf, in den Beruf zurückzukehren. Unterrichtete der gelernte Übersetzer und Quereinsteiger einst Englisch und Technik an einer Hauptschule in Duisburg, so soll er künftig im Kreis Warendorf eingesetzt werden.
„Heimatnah“, freut sich der 41-Jährige, der – ebenso wie seine Frau an ihrer Schule in Ascheberg – eine Zwei-Drittel-Stelle innehaben wird. Ein Lichtblick, denn inzwischen fällt ihm zu Hause die Decke auf den Kopf. „Mir fehlt der Ortswechsel, diese zwei geografischen Pole, die Berufstätige in ihrem Alltag haben“, erklärt er. Und: „Der Austausch mit Erwachsenen kommt zu kurz“.
Unterm Strich passen Akademiker wie Becker und seine Frau ins statistische Bild. Laut Stefan Reuyß vom sozialwissenschaftlichen Forschungsinstitut SowiTra in Berlin sei die Elternzeit vor allem unter Hochqualifizierten verbreitet. „Die Neigung, sich als Vater in der Kindererziehung zu engagieren, ist umso größer, je höher das Bildungsniveau der Eltern und je kleiner die Familie ist“, bestätigt auch Hartmut Kasten vom bayerischen Staatsinstitut für Frühpädagogik.
Indes: Väter, die zwölf Monate Elternzeit ausschöpfen, seien oft arbeitslos oder Geringverdiener. „Für sie ist das ein Ersatzeinkommen“, so Reuyß. Das trifft auf Till Becker so nicht zu, auch, wenn seine Frau als Beamtin die Brötchen verdient. Nagt das am Selbstwertgefühl? „Nö“, schüttelt Becker den Kopf und erzählt schmunzelnd, wie er schon mal auf dem Spielplatz die Vollzeit-Mamas, „die mit ihren geschälten Mandarinen und Äpfelchen“, durch Sprüche aufmischt.
„So, Jungs“, sagt er dann zu Bruno und Robert, „heute ist Papa-Tag. Jetzt gehen wir mal so richtig Pommes und Curry-Wurst essen.“ Und auf dem Weg zum Bio-Supermarkt genießt er die entsetzten Blicke in seinem Rücken.
VON JULIA GOTTSCHICK, MÜNSTER